Montag, 10. Mai 2004
Selbstzensur
Welt- und Umweltkunde-Stunde in meiner 6. Klasse, Thema Deportation, Gettos, KZs.
Das aufgeschlagene Buch dient nur der Illustration, das Unterrichtsgespräch, das Erzählen erscheint mir die sinnvollste Möglichkeit über das Grauen zu sprechen.
Ich erzähle vom Lagerleben und schließlich vom Massenmord, vom Schaufeln des eigenen Grabes, vom Gang unter die "Desinfektionsdusche".
Die meisten hören stumm zu, einige wenige wehren sich mit Ansätzen von Gelächter, einige stellen Fragen, erzählen, was sie selbst wissen.

Ich erzähle, was ich weiß, nur als die Frage kommt "Was haben sie denn mit Schwangeren gemacht?", kann ich ihnen die Antwort nicht geben. Ich ringe mal wieder um Fassung, und beschließe, es ihnen nicht erzählen zu können, sie davor beschützen zu müssen vor der Spitze der Brutalität. Die Schüler sehen es nicht ein und fragen nach. Aber der Punkt ist gekommen, da verweigere ich einfach mal die Aussage. Ich will es einfach nicht aussprechen.

Im letzten Beitrag schrieb ich etwas von der (wieder) faschistischer werdenden Gesellschaft. Es passt dazu, was sich im Irak abspielt und natürlich in den USA. Eine Administration, die beginnt in ihrer Weltmacht-Arroganz den Bezug zur Realität zu verlieren, Menschenrechte mit Füßen tritt und längst jegliche ethisch-moralische Führungsrolle eingebüßt hat, ist nicht mehr weit entfernt davon, die Einteilung in Gut und Böse, in wertvoll und unwert der reinen Willkür zu überlassen.

Es graut mir.

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