Sonntag, 30. Mai 2004
Die erste große Radtour der Saison
Bei feinstem Wetter habe ich endlich meine erste längere Tour mit dem Rad unternommen. Unter dem blauen Zirrenhimmel gings insgesamt 84 km durch die hügelige Landschaft.
Entfernungsmäßig war es sicher noch steigerungsfähig, aber die tahlreichen Höhenmeter fand ich schon ganz ordentlich...

Nur die Kopfbedeckung hätte ich vielleicht viel eher aufsetzen sollen.

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Donnerstag, 27. Mai 2004
Sören-Rüdiger war ein offener Schüler
Nun ist das Ärgste durch. Knapp 90 Gutachten inclusive der 20, die ich selbst verfasst habe, musste ich mir anhören. Nette Satzbausteine, die isoliert betrachtet manchmal schon komisch sind (siehe oben).
Und wozu der Aufwand? Dafür dass 95% der Schullaufbahnentscheidungen eh schon feststehen? Naja es war das letzte mal für uns, ab nächstem Jahr müssen sich die Grundschullehrerinnen damit rumquälen...

Nun habe ich die Hälfte des Schuljahrsschlussstresses (gibt es ein Wort m it mehr "s"?) hinter mir, die zweite folgte Ende Juni. Trotz Rhinoviren bin ich doch einigermaßen durchgekommen, wenn ich auch gestern eine Pause einlegen musste, weil die Beine dann doch zu zittrig waren und der Koipf zu dumpf.

Justamente spielte sich in meiner Abwesenheit ein Drama ab, das ich leider schon habe kommen sehen. Mein heftigster Schüler, von dem ich vor einigen Monaten so hoffnungsvoll schrieb, er wäre auf dem Wege der Besserung, fiel seit einigen Wochen wieder negativ auf.
Gestern tickte er dann so richtig aus: Gewaltandrohung gegen Mitschüler, aggressives Verhalten gegen Lehrer. Resultat: unfreiwillig verlängerte Pfingstferien. Der Chef hat schnell gehandelt.
Ob er nach der Zeit geläutert zurückkehren wird? Oder wird dieser Tanz nun so lange weitergehen, bis wir nicht mehr können/wollen und ihn an eine geeignete Einrichtung "abschieben"???
Schade, dass die Hoffnung wohl getrogen hat, aber wir waren mit unserem Bemühen wohl zu spät. Die Regelschule wird das nicht ausbaden können, was vorher versäumt wurde...

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Freitag, 14. Mai 2004
Nebensächlichkeiten
wenn sonst nichts passiert (ist):

Wie schön, dass ich mir keine neue Bank suchen muss. Die Postbank will sich nicht von den Oberarroganzlern Ackermann und Breuer kaufen lassen. Meine Konten bei der Deutschen Bank? Nein, Danke!

725 Gramm Spargel (abzüglich Schälgut) habe ich mir vorhin gegönnt. :-)

Abendliche Runde mit dem Rad. Zwar fotografisch nicht ergiebig dafür akustisch: 6 verschiedene Nachtigallen, aber zum Schluss der Amsel auf dem First war dann doch der Höhepunkt!

Kleine hellblaue Insekten schwärmten heute wie die Bekloppten durch die Luft und schmälerten den Radfahrgenuss etwas. Diese Tierchen sind mir noch nie aufgefallen. In meinen Büchern habe ich sie bisher nicht gefunden. Ein Anzeichen für Klimaänderung? Oder nur für einen zu schlappen Winter?
Naja, die Sache mit dem Klima wird uns ja bald hollywoodmäßig packend serviert. Laut diverser Wetterfreaks scheint "The day after tomorrow" tatsächlich sehenswert...

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Montag, 10. Mai 2004
Selbstzensur
Welt- und Umweltkunde-Stunde in meiner 6. Klasse, Thema Deportation, Gettos, KZs.
Das aufgeschlagene Buch dient nur der Illustration, das Unterrichtsgespräch, das Erzählen erscheint mir die sinnvollste Möglichkeit über das Grauen zu sprechen.
Ich erzähle vom Lagerleben und schließlich vom Massenmord, vom Schaufeln des eigenen Grabes, vom Gang unter die "Desinfektionsdusche".
Die meisten hören stumm zu, einige wenige wehren sich mit Ansätzen von Gelächter, einige stellen Fragen, erzählen, was sie selbst wissen.

Ich erzähle, was ich weiß, nur als die Frage kommt "Was haben sie denn mit Schwangeren gemacht?", kann ich ihnen die Antwort nicht geben. Ich ringe mal wieder um Fassung, und beschließe, es ihnen nicht erzählen zu können, sie davor beschützen zu müssen vor der Spitze der Brutalität. Die Schüler sehen es nicht ein und fragen nach. Aber der Punkt ist gekommen, da verweigere ich einfach mal die Aussage. Ich will es einfach nicht aussprechen.

Im letzten Beitrag schrieb ich etwas von der (wieder) faschistischer werdenden Gesellschaft. Es passt dazu, was sich im Irak abspielt und natürlich in den USA. Eine Administration, die beginnt in ihrer Weltmacht-Arroganz den Bezug zur Realität zu verlieren, Menschenrechte mit Füßen tritt und längst jegliche ethisch-moralische Führungsrolle eingebüßt hat, ist nicht mehr weit entfernt davon, die Einteilung in Gut und Böse, in wertvoll und unwert der reinen Willkür zu überlassen.

Es graut mir.

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Freitag, 7. Mai 2004
Erschüttert
Dieses Wetter schlägt vermutlich vielen Leuten aufs Gemüt. Mir auch.

Heute hat mich zweimal etwas erschüttert.

Morgens vor der Schule sah ich mir noch mal ein Video über das Warschauer Getto an, dass ich eigentlich im Unterricht meiner 6. Klasse zeigen wollte. Bei den Bildern von ausgemergelten Kindern, die auf der Straße hocken, von knochigen Leichen, die auf Lastwagen geladen werden, kamen mir die Tränen.
So oft gesehen, so oft mit beschäftigt, und trotzdem haut es mich mal wieder um.

Vielleicht ist es auch die Erkenntnis, dass sich unsere "Zivilisation" in den vergangenen 60 Jahren kaum weiterentwickelt hat. Immernoch werden Kriege mit haarsträubenden Begründungen geführt (nicht, dass es tatsächlich einen legitimen Grund gäbe, einen Krieg anzufangen), immernoch halten sich Menschen (und "Völker") für besser als andere und nehmen sich das Recht heraus, die Unterlegenen zu misshandeln.

Vormittags in der Schule erwischt es mich zum zweiten Mal. Nachdem ich mit meiner Klasse eine Bioarbeit geschrieben habe, werden "Klassengeschäfte" erledigt. Dabei zeichnen einige einen neuen Vorschlag für eine neue Sitzordnung an die Tafel. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, was ich das sehe: Die Jungs in der ersten Reihe, die Mädchen an der Seite, der Hauptstörer in der zentralen Mitte. Und der Schüler, der seit dem Sommer von vielen Jungs gemobbt wird, wird an den hinteren Rand platziert. Mit deutlichem Abstand zu allen anderen.
Ich bin fassungslos und sage das auch. Fordere die 12jährigen auf, sich das mal anzusehen, da mal drüber nachzudenken. Die Reaktionen zeigen, dass sie es nicht verstehen. Ich weiß nicht, wie ich pädagogisch darauf reagieren soll. Das Einzige, was mir in den Sinn kommt, ist, den Sitzplan wegzuwischen, und ihnen klarzumachen, dass mit mir soetwas nicht in Frage kommt.
Ich brauche eine Weile, um mich wieder zu fangen. Es gelingt mir kaum. Ich sage ihnen, sie sollen eine bestimmte Seite im Buch aufschlagen. Dort ist ein Bild von einem jüdischen Schüler, der mit gesenktem Kopf vor der Klasse steht, auf der Tafel ein übler Hetzspruch. Ich warte, ob irgendwem vielleicht eine Verbindung einfällt. Mir ist diese naheliegende Verknüpfung dann doch zu hart, ich bremse mich gerade noch.
Wäre dieser Vergleich zu hart?
Darf ich diesen Kindern überhaupt einen Vorwurf machen?
Sind sie die Charakterbaracken? Oder ihre Eltern?
Oder sind sie nur der Auswuchs einer Gesellschaft, die immer egoistischer wird und vielleicht auch wieder faschistisch?

Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass ich ratlos bin.
Und dass ich die Tage zähle bis ich diese Klasse los bin (dummerweise werden die Schlimmsten auf unserer Schule bleiben).

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