Freitag, 24. September 2004
Fetzen --1
Wir sitzen und beraten in der Klassenkonferenz über mehrere Schüler. Einen von ihnen müssen wir der Schule verweisen, einen anderen drohen wir den Ausschluss vom Unterricht an. Dieser Schüler zappelt am nächsten Tag selbstkritiklos wie ehedem im Physikraum herum, begrabbelt die Gasventile. In einem unbeobachteten Moment nimmt er sich einen Trafo-Stecker vom Lehrerpult und steckt ihn in die Netzsteckdose an seinem Tisch. Der Kurzschluss jagt die Sicherung heraus. Sonst passiert nichts.
Der Schüler streitet alles ab, regt sich darüber auf, dass ich ihn zusammenfallte.
Das war meine bisher dichteste Annäherung an den Knast...

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Knast?

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wenn er quer durch den Raum geflogen wäre und sich damit final verabschiedet hätte, dann wäre es meine Aufsichtspflicht gewesen, die versagt hätte. Ob das für echten Knast reichen würde, weiß ich nicht. Aber zumindest kurz davor - und sicher fast genauso "unangenehm".

(aber letztlich gehts nicht um mich, sondern um den Schüler, der in eine stationäre Therapie muss, weil er sich und andere gefährdet...)

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Ich wollte jetzt eigentlich schreiben, es ist witzig... aber das passt irgendwie nicht zu dem Beitrag.

Hm.. Interessant, okay, geht auch das Wort... ich hatte heute Gelegenheit mit 2 Lehrerinnen zu sprechen, einmal Grund- einmal Sonderschule.

Meine Bewunderung steigt immer mehr. Es gibt so viele Punkte, an denen ich sofort sagen würde, ähhh, nee. Angefangen von Kindern ansich (altes Thema) zu der ständigen Blickpunkt-Präsenz, sich im Zaum halten können, Geduld usw. bis schlussendlich und am wichtigsten (meine Sicht) die wahnsinnig starke seelische Belastung, die ganzen Schicksale, dieser (innere) Zwang doch mit erziehen zu müssen (Rahmen sprengend) weil Eltern einfach abladen, was sie selbst nicht packen.

Ich könnt es nicht, nicht annähernd, bin froh, wenn ich auch mal nen Tag, zumindest nen halben sagen kann, okay, ich lasse 5e gerade sein, mach mal nen lauen oder bin heut mies gelaunt usw. Daher meinen tiefen Respekt!

Und... ich kann mir niemanden vorstellen, der wie ehemals üblich (erinnere meine alten Lehrer) bis zur Rente diesen Job macht. Ich glaube, in der heutigen Zeit ein Ding der Unmöglichkeit.

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Du hast es gut auf den Punkt gebracht. Danke für Dein Verständnis!
Bin gerade sehr pessimistisch, wo das wohl enden wird: Es wird immer soviel über schlechten Unterricht gesprochen. Es wäre ja schön, wenn ich wenigstens schlechten machen könnte. Aber oft genug komme ich erstmal gar nicht dazu, überhaupt richtig anzufangen.
Aber der eigentliche Unterricht wird eh immer nebensächlicher.
Man müsste morgens wahrscheinlich die Hälfte der Schüler erstmal rausgreifen. Die einen, weil sie erstmal richtig frühstücken müssen, die nächsten, weil sie vielleicht mal wieder ein wenig Zuneigung oder gar Zärtlichkeit bräuchten, die nächsten, weil sie erstmal ihre Aggressionen abbauen müssten, die übernächsten, um ihnen im Extraunterricht das Schreiben beizubringen. usw usw.

Aber die Politik will ja wieder sortieren. Ob nun in Hauptschule und Gymnasium oder in Elite und Hartz IV-Empfänger. Hauptsache das Geld landet auf dem richtigen Haufen. Den Bodensatz ignorieren wir einfach .-(((

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Das Schlimmste ist irgendwie, dass im Studium ja derlei nötiges gar nicht vermittelt wird, dieses auf Menschen eingehen können, Disziplin vermitteln, Reiberein auflösen, all das Zwischenmenschliche. Natürlich kann das auch schwierig gelehrt werden, es ist schon learning by doing. Aber Ansätze müssen mitgegeben werden, gerade heute, wo die Eltern nicht mehr erziehen, weil sie arbeiten müssen, überlastet sind oder selbst gar nicht erzogen wurden. Bez. arbeiten müssen sind wir dann auch wieder mal auf Arbeitgeber-Seite, von denen sich soo irrsinnnig viele gegen Halbtagskräfte sperren. Und selbst wenn - halbtags ist nicht immer halbtags, wohin mit dem Kind? Nach dem x. Wegschub zum Nachbarn oder so bröckelts da dann auch.

Der ganze Grundsatz ist irgendwie falsch. Viele bekommen Kinder. Dann denken sie. Wenn überhaupt. Manche bekommen Kinder, weil sie in dem Alter sind und alle ja... usw. Wer macht sich denn heute noch wirklich viele, gute Gedanken um den Kram? Da wird eher noch ein Jahr überlegt, ob der Kinderwagen blau oder rot sein soll. Es ist gruselig. Und die, ich sags jetzt echt so, weil ich es auch so finde, Karriere-Weiber, die dann quasi nach der Nabelschnurabtrennung schon wieder im Büro sitzen... da ist doch Hopfen und Malz verloren. Ein Kind ist doch kein Statussymbol, kein Spielzeug, kein, ach komm, ich stecks mal eben wieder in die Truhe.

Ich sehe es in meiner Nachbarschaft, so wie ich es für richtig empfinde. Da wurde ne klare Entscheidung gefällt. Mutter und Kind sind tagtäglich zusammen, machen den Garten, gehen spazieren usw.. usf. Da wird erzogen und lieb gehabt, da ist man DA. Auch wenn ich viel darüber lästere (weil eben Kinder ;o) - so muss es sein und wenn man irgendwie die Möglichekit hat, dann sollte man es so handhaben. Geld ist einfach nicht alles.

...

Du weißt, Politik ist nicht so meins, aber man sagte mir heute, es soll wieder etwas geändert werden an der Ausbildung. Wollen mal hoffen, dass es besser wird.


(ohje, ich glaub, ich hab heute Abend nen Schreibwahn ;o)

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ich denke ja immernoch, dass es vielleicht einen Mittelweg geben könnte. Abgesehen davon, dass auch die Väter sehr wichtig wären, gerade für die Jungs. Und da nützt es wahrscheinlich wenig, wenn der Vater ne 60-Stunden-Woche hat, dafür die Mutter immer zu Hause ist.
Weniger arbeiten für beide wäre eine Lösung. Wenn es denn ginge, wenn denn die Leute auf eben ihre Statussymbole verzichten könnten. Und wenn denn die Leute dann auch etwas mit der Zeit anfangen könnten.

Was die Lehrerausbildung enbelangt bin ich eher skeptisch, dass sich da was ändert. Das wurde schon zu oft angekündigt.
Und es ist auch das problem, dass man in den Lehrerjob nicht zuviel reinpacken darf. Da wäre eher eine Arbeitsteilung wichtig. Und Teamteaching. Aber wer soll das bezahlen, wenn uns Bildung so unwichtig ist?

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ich wollte es nicht an den Müttern festmachen, aber ein Elternteil sollte da sein. Beide sind wichtig. Wobei ich sagen muss, der Großteil meiner und wahrscheinl. auch Deiner Generation ist mehr mit Mama aufgewachsen als mit Pa. Und ich glaub nich, dass uns das zu sehr geschadet hat.

Weniger arbeiten, anders arbeiten, kopffreier, weniger karierre-orientiert... wenn ich es tagtäglich sehe, was da gebastelt wird für die Leiter nach ganz oben. Und ich sitz da immer neben und denk, hallllooo, du bist erst 27, was willst du eigentlich, komm mal wieder runter. Das zieht sich ja weiter sowas, findet nie ein Ende. Alles haben wollen, schnell, gleich, gestern, auch unvereinbare Dinge - Kind und Karriere? Ernsthaft, das funktioniert nicht wirklich.

Aber wir haben uns damals nicht mit einer Barbie, einem Spiel, einer Kassette zufrieden gegeben - warum sollten wir uns heute irgendwie einschränken? (und so ganz groß nehm ich mich da auch nicht raus)

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Niedersachsen kündigt der KMK
http://www.welt.de/data/2004/09/25/337887.html

Sieh mal an, man möchte etwas bewegen. Allerdings laboriert man wieder nur an den Symptomen, ohne deren Ursachen überhaupt in Betracht zu ziehen. Außerdem frage ich mich schon länger, ob es wirklich Sinn macht, in einem immer mobiler werdenden Deutschland die Bildung den Ländern zu überlassen. Wer einmal mit einem schulpflichtigen Kind oder selbst als solches das Bundesland gewechselt hat, weiß, was ich meine. Aber das ist ein gaaanz anderes Thema. ;-)

lunally spricht mir in vielen Dingen aus der Seele: die Eltern sind gefordert. Ich habe dies ja bereits angesprochen. Ich verstehe nicht, warum dies nie in der Öffentlichkeit besprochen wird. Ist der Kreis der potentiellen Wähler, denen man damit evtl. vor den Kopf stößt, zu groß? Wenn man so denkt, wird man sich noch wundern über den Preis, den man für dieses Denken irgendwann wird zahlen müssen.

Nach meiner persönlichen Erfahrung kommen Klagen über unser Schul- und Bildungssystem übrigens eher selten aus den Reihen derer, die ihre Aufgaben als Eltern gegenüber den eigenen Kindern noch ernst nehmen, sondern eben von jenen, die jegliche Verantwortung abschieben wo sie nur können. Ich gehe ungern zu Elternsprechtagen oder Schulveranstaltungen, wo solche Gespräche evtl. aufkommen könnten, weil mir regelmäßig der Sinn danach steht, diesen Herrschaften den Kopf zu waschen.

Aus Gesprächen mit Lehrern weiß ich, dass Mitteilungen nach Hause, schlechte Beurteilungen usw. dort ungehört verhallen, wo sie dringend Gehör finden müssten...

Hach, über dieses Thema könnte ich endlos schreiben, schaffe es aber immer nur, Gedanken anzureißen und nicht auszuformulieren, weil mir so vieles durch den Kopf geht. Ich persönlich verstehe die Schule jedenfalls immer noch als Lehranstalt, die der Wissensvermittlung dient, und nicht als Ausgleich für meine Inkompetenzen. Auch verstehe ich Lehrer nicht als Pauschal-Ersatz für häusliche Defizite, sondern als Ergänzung in dem Bestreben, aus meinem Kind einen selbstbewussten, verantwortlichen und gebildeten Erwachsenen zu machen. Ein Zeugnis-Durchschnitt von 1,68 im letzten Jahreszeugnis scheint mir darin Recht zu geben.

So lange das so ist, dass die Eltern ihre Verantwortung ablehnen, bin ich als Mutter übrigens dagegen, die Zweige der weiterführenden Schulen zusammen zu führen. Nicht, weil ich es den Kindern nicht gönne, sondern weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass sich Kinder (und auch meine Tochter) ganz gerne "nach unten" orientieren. Und ich habe wenig Lust dagegen anzukämpfen.

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